Geschichte der Wachtumsverweigerung

1971 Nicholas Georgescu-Roegen publiziert sein Hauptwerk „The Entropy law and the Economic Process“. Georgescu-Roegen ist für die Décroissance-Bewegung zum Vordenker geworden, weil er die Bedeutung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik für die Wirtschaft gezeigt hat. Diese Zusammenhänge sind für Nichtphysiker nicht leicht zu verstehen. Aber die Konsequenz ist klar: Unsere Wirtschaft hat, auch physikalisch gesehen, eine Geschichte, die sich nicht rückgängig machen lässt. So wirtschaften wir unweigerlich in einer ständig sich verschlechternden Ressourcenlage. Deshalb müssen wir im Sinne des Vorsorgeprinzips Wirtschaftsschrumpfung anstreben, wenn wir wollen, dass spätere Generationen noch etwas zu wirtschaften haben.


1972 Eine Autorengruppe unter der Leitung von Dennis L. Meadows publiziert im Autrag des „Club of Rome“ die Studie „Die Grenzen des Wachstums“. Die Autoren machen keine Voraussagen, obwohl dies von ihren Gegnern immer wieder behauptet wird. Sie konstruieren Szenarien aufgrund bestimmter Annahmen („wenn ..., dann ...“) und kommen zum Schluss, dass eine Fortführung des Wirtschaftens, wie die Welt es 1972 und heute kennt, die Menschheit in spätestens hundert Jahren in eine ökologische Katastrophe führen würde.


1973 Ivan Illich publiziert „Tools for Conviviality“ (1980 deutsch unter dem Titel „Selbstbegrenzung“). Zitat: „Unter Konvivialität verstehe ich das Gegenteil der industriellen Produktivität [...] Von der Produktivität zur Konvivialität übergehen heisst, einen ethischen Wert an die Stelle eines technischen Wertes [...] setzen.“ Im gleichen Jahr erscheint „Small ist beautiful“ von Ernst Friedrich Schumacher.


1977 André Gorz plädiert in „Ecologie et liberté“ (éd. Galilée) nicht nur für Nullwachstum, sondern unmissvertändlich für Wachstumsrücknahme. Er kritisiert jene politisch Linksstehenden, die nicht auf das Wachstumsdenken zu verzichten bereit sind. Gorz wirft ihnen vor, sie wollten nur den Kapitalismus mit anderen Mitteln weiterführen.

 

1979 Der Genfer Jacques Grinevald übersetzt und publiziert Texte von Nicholas Georgescu-Roegen unter dem Titel „Demain la décroissance: entropie - écologie - économie“. Das Buch hat in Europa eine gewisse Wirkung, lange vor dem Entstehen der Décroissance-Bewegung.

 

Etwa ab 1989
Der Ökonomieprofessor Serge Latouche zeigt, dass die Entwicklung in den Ländern des Südens eine Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln ist. Mit anderen Autoren zusammen entwickelt er die Theorie des Postdevelopment, des après-développement. Das bedeutet eine radikale Abkehr vom herkömmlichen, wachstumsorientierten Entwicklungsbegriff.

 

1999 Der Werbefachmann Vincent Cheynet gründet in Lyon den werbekritischen Verein „Casseurs de pub“.


2004 „Casseurs de pub“ gibt die erste Nummer der Zeitschrift „La Décroissance“ heraus. Die Zeitschrift wird rasch zum Aushängeschild der französischen und europäischen Wachstumsverweigernden. Sie hat heute eine Auflage von 45‘000.

 

2006 Der Permakulturspezialist Rob Hopkins gründet in England die Bewegung der Transition Towns, die sich rasch in mehreren Ländern ausbreitet. Der Bewegung liegt der Gedanke zugrunde, dass man ökologisch verantwortbare Politik nicht den Politikern überlassen darf. Kleinere, überblickbare Gemeinschaften, Gemeinden und Städte müssen die Entwicklung in  dieser Richtung vorantreiben.

 

2008 18./19. April: Erster internationaler Kongress für Wirtschaftswachstumsrücknahme in Paris

 

2008 Gründung des ersten schweizerischen Réseau objection de croissance ROC in Genf, bald darauf Gründung weiterer ROC in Lausanne und Neuchâtel.

 

Seit 2008 Wegen der globalen Finanzkrise gerät auch der Glaube ans Wirtschaftswachstum vermehrt ins Wanken; und die Erkenntnis, dass der Klimawandel eine Rücknahme des Wachstums nötig macht, verbreitet sich. Das Thema der Wachstumsrücknahme wird in vielen Medien erörtert. Ein einfacher Überblick über die wachstumskritischen Bewegungen ist nicht mehr möglich.

 

2010 16. März: Gründung des Netzwerks Décroissance Bern.

 

2010 26.-29. März: Zweiter Internationaler Kongress für Wirtschaftswachstumsrücknahme in Barcelona

 

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